Beton neu erfinden

Deutscher Zukunftspreis

Dresdner Forscher erhalten für ihren Beton mit Carbonfasern den Deutschen Zukunftspreis. Das Material zeichnet sich durch Langlebigkeit und die Möglichkeit zu filigranen Bauteilen aus.

Beton haftet noch immer das Image von Tristesse und Klobigkeit an. Er gilt als Zeichen einer Baukultur, die vor allem eines sein will – billig. Doch dank neuer Technologien wandelt sich dieses Bild gerade – und die Gewinner des Deutschen Zukunftspreises 2016 bestätigen es: Die Ingenieure der Technischen Universität Dresden haben mit Carbonbeton eine rostfreie, ästhetische und langlebigere Alternative zum üblichen Stahlbeton entwickelt. Bundespräsident Joachim Gauck hat ihnen dafür gestern in Berlin den renommierten Preis überreicht.

Mit Textilbeton zu Filigranität

“Mit dem Textilbeton machen wir den Schritt zur Filigranität, Leichtigkeit und Ästhetik des Betonbaus der Zukunft”, hofft Manfred Curbach, Professor für Massivbau an der TU Dresden. “Carbon Concrete Composite” (C³) ist mehr als nur die reine Bewehrung – es ist eine vollkommen neue Bauweise.“ Faserbewehrte Betone werden zwar schon seit Jahrzehnten eingesetzt. Doch erst seit Kurzem gelingt es, die Fasern mit besonderen Nähwirkmaschinen zu einem Netzwerk zu verweben. Nun kann der Verbundwerkstoff seine Qualitäten voll ausspielen.

Noch hohe Kosten für Carbonfaserbeton

Carbon werde langfristig den Stahl im Beton ersetzen, ist Curbach überzeugt. Noch aber kostet ein Kilogramm mit 16 Euro rund 16-mal mehr als ein Kilogramm Stahl. Doch die hohen Kosten werden durch Materialeinsparung kompensiert. “Die Dichte von Carbon beträgt circa ein Viertel der Dichte von Stahl”, erklärt Curbach. “Sie bekommen also die vierfache Menge, wenn Sie ein Kilogramm kaufen.” Hinzu kommt: Carbon ist ungefähr fünfmal so fest. “Bezogen auf seine Leistung ist Carbon also sogar günstiger als Stahl. Auf jeden Fall sind sie auf Augenhöhe.” C³-Beton ist auch nicht rostanfällig. Die nötige Betonschicht kann also viel dünner sein. Während Bewehrungsstahl zum Schutz vor Korrosion von mindestens 20 Millimeter Beton überdeckt sein muss, kommt man bei der Textilbewehrung mit wenigen Millimetern aus. “Damit werden die Preisträger das Bauen revolutionieren”, erklärte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) nach der Preisverleihung.

Welche ästhetische Architektur bei gleicher Festigkeit in der Praxis möglich ist, zeigt die Fußgängerbrücke im baden-württembergischen Albstadt-Lautlingen: Mit 97 Metern ist sie die bislang längste in Carbonfaserbeton gebaute Brücke und mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen nur gut halb so schwer wie in klassischer Bauweise aus Stahlbeton.

“200 Jahre Lebensdauer”

Während herkömmlicher Stahlbeton eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren habe, könnte Carbonbeton nach Angaben der Ingenieure wesentlich länger halten. 200 Jahre seien keine Illusion, sagte Curbach. Aber zugegeben, er selbst werde das nicht mehr beurteilen können. Noch hat das Team viel mit dem Baurecht zu tun – solange es für das neue Material noch keine DIN-Norm gibt, braucht es viele Zulassungen. Denn die Sicherheit beim Bauen geht vor.

Kritiker weisen darauf hin, dass Carbonbeton schwerer zu recyceln ist als Stahlbeton, da sich die Stoffe nur aufwendig wieder trennen lassen. Zudem werden Carbonfasern derzeit meist noch aus Erdöl hergestellt.

“Der optimale Fall wäre ohnehin, dass ganze Bauteile wiederverwendet werden”

sagte Teamsprecher Curbach. Das könnten zum Beispiel Wand- oder Deckenelemente sein. Für eine Trennung des Verbundmaterials müsse man es über längere Zeit erwärmen. Letztlich sei das aber gar nicht das Ziel.

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